Gabi Mehlitz
Bass / Gesang
Ich weiß nicht warum, aber schon als Kind (sagen wir mal im Alter
von 8-9 Jahren) hatte ich schon das Gefühl, dass es etwas Besonderes,
Anderes, Neues, Modernes ist, Beatmusik zu hören. Irgendwie empfanden
wir Kinder (mein Bruder und meine Schwester schon Jugendliche) hier
passiert etwas, wo die Eltern nicht hinterherkommen, etwas, was nur
wir verstehen. Es war nicht langweilig, die Alternative hingegen waren
(deutsche) Schlager und Klassische Musik. Unser Vater hörte auch
sehr gern Marschmusik, aber die mussten wir uns zu Hause zum Glück
nicht allzu oft anhören. Wir hatten zu Hause keinen Fernseher, wir
hatten nur das Radio, und da war diese tolle Musik zu hören. Mein
Bruder hatte ein Tonbandgerät, womit er alles aufnahm, und wir hörten
stundenlang Beatmusik, dazu trommelte er öfter Luftschlagzeug. Der
fast alltägliche Spruch meines Vaters war: Mach dit Gejaule aus.
Aber auch wir jüngeren Kinder kriegten die Besonderheit der Musik
schon mit. Im Nebenhaus im Parterre wohnten zwei Zwillingsschwestern,
die öfter allein zu Hause waren. Sie nahmen mich mal mit zu sich
und dann sagten sie: Wir zeigen dir mal was. Dann tanzten sie in
der Küche einen ziemlich wilden Rock’n Roll. So was hatte ich noch
nie gesehen. Sie nutzen den gesamten Raum der Küche aus, aber stießen
nirgendwo an. Das sah toll aus! Eine Freundin in der Grundschule zog
mich mal ins Treppenhaus und fragte mich: wie findest’n das? Sie
stellte sich in Position, fasste ihren Rock am Saum und zog ihn
elegant in die Breite und fing an zu singen: Heißer Sand und ein
verlorenes Land… Gut, ich fand das einerseits schick, aber dennoch
relativ langweilig. Doch wenn man mal bedenkt, was wir in der Schule
sangen, Volkslieder wie z.B. den Kanon: Froh zu sein bedarf es wenig
und wer froh ist, ist ein König. Dagegen war das schon ziemlich modern.
Ich fand sie damals viel zu jung, um solch ein Lied zu singen. Mein
Cousin, der eine Treppe unter uns wohnte, hatte einen Fernseher.
Seine Eltern hatten auch nichts dagegen, dass er Beatclub sah.
Manchmal durften wir zu ihm runtergehen und auch Beatclub sehen.
Das war sensationell! Meine Schwester kaufte sich manchmal die Bravo,
da stand ja auch so einiges drin, was man als Jugendliche damals
wissen musste. Wir malten beide sehr gern, und wir schnitten Fotos
aus der Bravo aus und malten sie ab. Einige Bilder davon habe ich
heute noch: Portraits von Bob Dylan, David Bowie, Mick Taylor,
Paul McCartney, Robert Plant, John Mayall, Stuart Sutcliff. Meine
absoluten Lieblingsfotos von damals konnte ich bis heute bewahren:
Klaus Voormann, Steve Marriott, Julie Driscoll.
Es standen auch Songtexte in der Bravo, und so kommt es, dass ich
sogar heute noch Texte von damals auswendig kann.
Mit den Jahren wurde die Abgrenzung meinen Eltern gegenüber noch
krasser: mit 15 hörte ich mit Vorliebe Led Zeppelin, und mit 17
ging ich mit den Studenten auf die Straße zum demonstrieren: Amis
raus aus Vietnam! Ho-Ho-Ho Chi Minh! Die Gegenrufe der
Eltern-Generation: Jeht doch rüber in’n Osten! Allet Gammler!
Die Entwicklung der Beatmusik und die kulturelle Abgrenzung der
Jugend (lange Haare, Jeans, Minirock, Haschisch) sowie die politische
Auflehnung gingen für mich einher.
Es war eine aufregende Zeit. Wir spürten geradezu, wie wir Geschichte
mitschrieben.
Gabi's Website
Spielt auch bei Die Gabys,
und bei Teaserama